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Die Schlüsen (Der Lehrpfad)

Die Wiederherstellung des Lehrpfades verdanken wir der freundlichen Unterstützung von

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“Schlüse” ist hier vor Ort die mundartliche Bezeichnung für einen Hohlweg. Hohlwege sind Zeugen der alten Handelswege. Sie waren unbefestigt und erhielten ihre Form durch stetige Nutzung.

Drolshagen hat seit jeher eine regional bedeutsame Einbindung in ein überregionales Netz von Handelsstraßen. Deswegen finden wir im Drolshagener Land eine Vielzahl von Schlüsen, die vor allem im Mittelalter entstanden und genutzt wurden. Damals waren sie die Lebensadern der Region.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel von Hohlwegen ist das Schlüsenbündel Junkelrnhöh / Germinghausen. Es ist ein eingetragenes Bodendenkmal. Der Gang durch diese Schlüsen ist wie eine Zeitreise: Man hört die Gegenwart, die Autobahn, aber man taucht ein in die Vergangenheit, erfährt viel über Fuhrleute und Transportmittel aus vergangenen Zeiten – das Rad der Geschichte, der Wandel der Zeit ist deutlich erkennbar.Der Gang durch die Schlüsen vermittelt Ihnen ein Gefühl für alte Zeiten und den harten Lebensalltag der Menschen. So wird Drolshagener Geschichte lebendig.

Viele ortsbezogene Informationen und Dokumente sind in den letzten Jahrhunderten durch Kriegseinwirkung, marodierende Truppen und einen Großbrand verloren gegangen. Wir nutzen daher auch typisches Material anderer Regionen und aus unterschiedlichen Zeitebenen.

Die Ortschaft Junkernhöh lebte früher von und mit dem Verkehr, der durch die Schlüsen lief. Die Schlüsen blieben erhalten und auch in Junkernhöh sind noch Gebäude aus der damaligen Zeit zu sehen. Diese seltene Konstellation gab den Ausschlag für den Lehrpfad an dieser Stelle.

oben: Abb1 und Abb2

oben: Abb3 und Abb 4

Abb 1: Händler mit Karren, Holzschnitt von Johannes Zainer um 1476*
Abb 2: Fuhrmann mit Karren, Klein um 1827*
Abb 3: Fuhrmann Emil Schürholz, Drolshagen, 20er Jahre Bildarchiv Felix Stahlhacke
Abb 4: Transportwesen heute

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Die mittelalterlichen Handels- und Fuhrmannswege unserer Region sind unbefestigte “Höhenwege”, die zum größten Teil über die Höhenzüge des Sauerlandes verlaufen. Die Nutzungsmöglichkeit der “Höhenwege” war stark witterungsabhängig und ihre oft steilen An- und Abstiege für Mensch und Tier äußerst anstrengend. Aber es zählten die kürzesten Verbindungen. Man benutzte fast ausschließlich zweirädrige Karren. Große Räder von ca. 1,60 m Durchmesser waren die zwingende Voraussetzung, um das unwegsame, steinige Gelände zu bewältigen. Eine Spurweite von ebenfalls ca. 1,60 m empfahl sich für die Wege mit ihren oft tief eingefahrenen “Fahrgleisen”.

Die Tagesleistung der Fuhrwerke lag auf befestigten Wegen bei 25 bis 30 km. Ein Drolshagener Fuhrmann, der Waren ins Siegerland transportieren wollte, benötigte also 2 Tage für die Hin- und Rückfahrt. Neben den Zweirad-Karren fand der übliche, regionale Warentransport zur Deckung des alltäglichen Bedarfs mit Tragestange (Abb.: im Wechselschritt und diagonal getragener Stange), mit Handkarren und mit Lasttieren statt. Die gebirgigen Teile des Kurkölnischen und Märkischen Sauerlandes bildeten zusammen mit dem Siegerland eine frühe montanindustrielle Verdichtungszone. Grundlage waren in allen drei Territorien die reichlich vorhandene Wasserkraft, Holz zur Kohleerzeugung und Erzgruben. Eisenverarbeitung war im hiesigen Raum stark verbreitet. So waren 1612 laut Erfassung des Herzogtums Westfalen 17 von insgesamt 72 Wasserhämmern im Drolshagener Land konzentriert. Die Eisenverarbeitung fand in den Hammerwerken in den Tälern, an den Wasserläufen statt.Zur Gewinnung von 1t Eisen wurden 4t Holzkohle benötigt. Zur Herstellung von 1t Holzkohle verkohlte man über 8 Raummeter Holz. Dieser Raubbau im Wald führte bald zu Holzknappheit. Forstverordnungen wurden erlassen, und die ersten Fichten als schnell nachwachsende Baumart im Sauerland gepflanzt.

oben: Abb1 und Abb2

Abb3

Abb 1: Stich ca. 1860*
Abb 2: Ausschnitt, Lastenträger, Holzschnitt von Johannes Zainer um 1476*
Abb 3: Holztransport, Lithographie Frankreich ca. 1860*

Tafel 3

DIE FUHRLEUTE

Im Mittelalter waren die Arbeitsbedingungen der Fuhrleute hart. “Arme Schlucker jedoch hoch angesehen; denn man vertraute ihnen ja die eigenen, wertvollen Waren an” (Nicke). Sie waren hart gefordert durch Wind und Wetter, durch oft steile An- und Abstiege wie hier in Junkernhöh, durch unwegsame Fahrstrecken, Radbruch und Verletzungen der Zugtiere. Hart forderten sich die Fuhrleute aber auch untereinander.

Es gab zwar, vor allem für einspurige Hohlwege, das Vorfahrtsrecht dessen, der als erster in den Weg einfuhr, aber auch damals hielt man sich nicht immer an Verkehrsregeln. Die Vorfahrt musste durch Peitschenknallen und durch Pfeifen signalisiert nahm sich der Stärkere das Recht. Heftige Prügeleien mitten im Hohlweg waren nicht selten. Und dann kam für den Unterlegenen das weitere Problem: Zugtiere haben keinen Rückwärtsgang!

Hart gefordert waren die Fuhrleute auch durch Überfälle, besonders dann, wenn man die Nacht im Freien verbringen musste, da man die Strecke bis zum nächsten Gasthof nicht geschafft hatte. Gerade tiefe Hohlwege waren für die Fuhrleute besonders gefährlich! Sehr riskant waren die abschüssigen Strekken, denn die Holzkarren hatten noch keine Bremsen. Zum Bremsen musste er selbst in die Speichen greifen oder Stangen zwischen die Räder stecken, um so die Räder zu blockieren. Schleifgewichte zu verwenden war verboten.

Bergauf konnte er Vorspanndienste, das heißt zusätzliche Zugtiere, einsetzen. Dafür mussten die Fuhrleute natürlich Geld zahlen und das verteuerte die Waren. Das Ur-Kataster von 1830 zeigt, dass Junkernhöh den Fuhrleuten alle notwendigen Dienstleistungen bot: eine Schmiede, einen Vorspanndienst und selbstverständlich eine Raststation.

Abb1 & Abb2

Abb3

Abb4

Abb 1: ” Auf den guten 27er Jahrgang”, J.A. Klein 1826 *
Abb 2: Franz Schulte, Scheda, ca. 1920, Bildarchiv Felix Stahlhacke
Abb 3: Schmiede 17. Jahrhundert *
Abb 4: Überfall, Ausschnitt Stich 1799*

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Das Schlüsenbündel besteht aus mehreren, parallel laufenden Hohlwegen. Die Hohlwege sind bis zu 500 m lang und haben Steigungen bis zu 6%. Für die damaligen Fuhrwerke (1 PS = 1 Pferdestärke) war dieser Weg sehr steil. Gewöhnlich mussten weitere Zugtiere in der Raststation angefordert werden; dazu genügte ein Peitschenknall.

Eine schmale Schlüse könnte bei der Rückführung der Zugtiere des Vorspanndienstes entstanden sein. Die Wege wurden selbstverständlich auch von Händlern genutzt, die mit Hilfe von Kiepen, Tragestangen, Handwagen oder Lasttieren ihre Waren transportierten. Für die kurzen, unregelmäßigen und schmalen Ausweich- oder Nebenspuren in diesem komplexen Schlüsenbündel ist das die wahrscheinlichste Erklärung. Außerdem war es sinnvoll, gleichzeitig nutzbare Spuren zu haben, denn so konnte man bergauf und bergab fahrende Fuhrwerke trennen. Zu stark ausgefahrene Spuren konnten nicht mehr benutzt werden. Ein weiterer Grund für das Anlegen einer neuen Fahrspur war, dass es für die Anlieger ein zu großer Aufwand war, die alten instandzusetzen. Also begann man eher mit neuen parallelen Spuren, als einen hohen Erhaltungsaufwand zu betreiben. Die Vielspurigkeit ist die Folge eines hohenVerkehrsaufkommens, schlechter Bodenverhältnisse und einer starken Steigung.

Selbst Anfang 1900 waren die Schlüsen ein noch viel benutzter Verkehrsweg: Es ist mündlich überliefert, dass die Wege mit Eimern vom Schlamm befreit werden mussten. Eine dabei entstandene Schlammrinne ist noch erkennbar. Die alten “Fahrgleise” der Karren liegen durchweg unter dem Waldboden verborgen. Weitere ehemals vorhandene Hohlwege in Fortsetzung des Schlüsenbündels bis Junkernhöh sind dem Bau der Autobahn zum Opfer gefallen, andere gingen durch Erschließungsmaßnahmen der letzten Jahrzehnte verloren, wieder andere wurden in Unkenntnis des historischen Hintergrundes zugeschüttet.

Abb1

Abb2 und Abb3

Abb 1: Gütertransport im 18. Jahrhundert. Bearbeitung eines Kupferstichs von Johann David Schleuen nach einer Zeichnung von Daniel Chodowiecki um 1770 *
Abb 2: Tirol, Holzstich 1840
Abb 3: Ausschnitt: Lastenträger, Holzschnitt von Johannes Zainer um 1476* Zeichnung von Daniel Chodowiecki um 1770 *

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Das Rad der Geschichte dreht sich weiter. Die Welt wandelt sich. Ein grundlegender Umbruch der Verkehrsführung von den “Höhenwegen” hin zu den befestigten “Talstraßen” nahm seinen Anfang, benötigte allerdings in einigen Regionen mehr als ein Jahrhundert. Manch alter Ort an einem alten “Höhenweg” , z.B. Junkernhöh, wurde dadurch isoliert, ein anderer blühte an einer “Talstraße” auf. Die neuen Talstraßen waren aufwändiger in Bau und Erhaltung, aber auch viel effizienter, da sie auf möglichst gleich bleibendem Niveau, mit begrenzter Steigung gebaut und befestigt wurden. “Am Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich der moderne Straßenbau in Südwestfalen. Handelte es sich zuvor um den so genannten Wegebau, der lediglich in einer Ausbesserung der natürlichen Verkehrswege durch Hand- und Spanndienste bestand, so setzte nun der Chausseebau durch “Kunststraßen” (als Talstraßen) ein.” (Bruns) Die Vorteile der neuen Verbindung zwischen Siegen und Hagen (der Frankfurter Straße) lagen auf der Hand. Die Trasse folgte dem Volmetal und hatte zwischen Hagen und Meinerzhagen eine Steigung von 271,9 m, wogegen der bisher bestehende Höhenweg eine Gesamtsteigung von 1350 m hatte.. (Bruns) Das ist immerhin ein Unterschied von über 1000 m. Durch den Bau dieses Abschnittes der neuen “Kunststraße”, der heutigen B 54, verliert Junkernhöh ab 1813 seine Bedeutung.

HAND- UND SPANNDIENSTE

Alte Wegeordnungen verpflichteten die Anlieger zum Bau und zur Erhaltung der Wege und Straßen. Diese Leistungen waren kostenlos zu erbringen.

Berichte von einer Teilstrecke zwischen Hagen und Meinerzhagen über 6 Meilen (= 45,2 km) vermitteln uns eine Vorstellung vom Verkehr um 1843:

Mehr als ein Drittel der Strecke mit Steigungen bis über 8% waren für Fuhrwerke nur mit Vorspanndiensten zu bewältigen.

Jahrestransportmenge auf dieser Strecke: 450.000 Zentner Eisen, Steinkohle und andere Handelsgüter;

das heißt: über 23.000 Pferde auf dieser Strecke in einem Jahr!

Abb1 & Abb2

Abb 1+2: Karikaturen Frankreich 19. Jhdt*

Reisen war im 19. Jahrhundert teuer und gefährlich. Nicht nur Räuber machten die Straßen unsicher, sondern auch die Zölle an den Grenzen der vielen Kleinstaaten grenzten nach Meinung des Künstlers an Straßenräuberei.

Abb3: um 1850* Aus Sicherheitsgründen schloss man sich oft zu “Reisegruppen” zusammen.

Abb4 & Abb5

Abb 4: Das Pferd war auf der “Langstrecke” das gebräuchlichste Lasten- oder Zugtier. Auf der “Kurzstrecke” waren dafür Kuh, Ochse oder Esel im Einsatz. Die Menschen bewiesen schon damals viel Phantasie, um sich die Arbeit zu erleichtern. Sogar Hunde wurden in den Dienst des Transportes gestellt.
Wenn man die Abb 5 genau betrachtet, sieht man, dass der Hund ein Geschirr trägt und die Schubkarre ziehen hilft, die von hinten geschoben wird. Die meisten Leute gingen jedoch zu Fuß und zogen oder schoben ihre Karren selbst. (Ausschnitt Stich um 1864*)

VIA EST VITA

“Die Straße ist das Leben”, sagten schon die alten Römer, und das gilt bis in die heutige Zeit. Ortschaften und auch Unternehmen, die nicht an ein zeitgemäßes Transportnetz angeschlossen sind, verlieren an Bedeutung. Dafür ist das alte Junkernhöh ein gutes Beispiel. Durch die Verlagerung der Transportwege von den Höhen in die Täler blieben die Menschen, die dort von den Dienstleistungen rund um den Warentransport lebten, “auf der Strecke”.

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JUNKERNHÖH

Junkernhöh, mundartlich “Op der Höh” genannt, ist vergleichbar mit einer “Autobahn-Raststätte” für Fuhrwerke. Es lag auf einer Anhöhe an einer Kreuzung von zwei Handelswegen direkt am wichtigsten nördlichen Weg nach Drolshagen.

Die Angaben des preußischen Ur-Katasters um 1830 für Junkernhöh verzeichnen u.a.: 3 Häuser, darin 2 Gaststätten, 1 Schmiede, 3 Pferde und wenig Vieh. In Junkernhöh lebten zu dieser Zeit 5 Familien. Benachbarte Ansiedlungen hatten sehr viel mehr Vieh, aber keine Pferde. Diese Tatsache, sowie die Lage der Ortschaft, belegen einen Vorspanndienst mit zusätzlichen Zugtieren für schwere Fuhrwerke.

Der Weg über die Höhen nach Drolshagen war damals sehr mühsam. Als die neuen, befestigten “Kunststraßen” (hier die heutige B 54) aufkamen, beschleunigte, vereinfachte und verbilligte dies den Warenaustausch und den Personenverkehr. Die recht dramatische Folge war, dass die seit Jahrhunderten benutzten Transportwege über die Höhen und die dortigen Ansiedlungen schnell jede Bedeutung verloren. Den dort lebenden Menschen wurde die Erwerbsgrundlage entzogen.

So auch in Junkernhöh: 2 der 5 Familien wanderten um 1850 in die USA aus! Durch die Abgeschiedenheit und die daraus resultierenden fehlenden Einkünfte aus Gaststätten und Vorspanndiensten fiel Junkernhöh in einen “Dornröschenschlaf”. Diesem Umstand haben wir zu verdanken, dass die alte Konstellation seit über 2 Jahrhunderten weitgehend im Original erhalten blieb. Zwei der drei Häuser und die Schmiede (rot umrandet) bestehen noch in ihrer baulichen Substanz von vor 1830. In Verbindung mit dem in Richtung Drolshagen vorgelagerten Schlüsenbündel des Lehrpfades und den nachgelagerten, parallelen Schlüsen vor Sendschotten blieb ein seltenes Ensemble erhalten, das auch überregional Bedeutung hat. Weitere Schüsen sind durch den Straßen- und Autobahnbau verschwunden.

Abb A: Junkernhöh 1830 ist wie eine “Autobahn-Raststätte” der damaligen Zeit:
3 Gebäude, darin 2 Gasthäuser, 1 Schmiede und ein großer Park- und Wendeplatz.
3 Gebäude sind heute noch erhalten. Das Doppelhaus (4) ist ca. 1885 durch einen Brand zerstört worden.

Abb1 + 2: ehemalige Gaststätten
Abb3: alte Schmiede

Abb4: Gaststätte Stahlhacke in Junkernhöh, ca. 1904, Bildarchiv Felix Stahlhacke
Abb5: Der Schmied, 17. Jahrhundert*

Auch die “Fachstelle Geschichte” des Westfälischen Heimatbundes fanden unseren Schlüsen-Lehrpfad sehr interessant.

Bericht aus den Heimatstimmen Kreis Olpe:

Straßen und Wege im südlichen Westfalen Tagung der “Fachstelle Geschichte” des Westfälischen Heimatbundes als PDF. >>hier<< downloaden.

Quellen und Literatur:

Wir danken dem Werksmuseum der Firma BPW BERGISCHE ACHSEN für das zur Verfügung gestellte Bildmaterial. *

Dr. Herbert Nicke, Vergessene Wege
Alfred Bruns, Die Straßen im südlichen Westfalen
Josef Hesse, Drolshagen, Bilder einer Stadt
Karl-Heinz Kaufmann, Heimatstimmen Kreis Olpe, 1989
Vielen Dank auch an Herrn Josef Stahlhacke, dass er uns Archivmaterial aus Junkernhöh zur Verfügung stellte.

 

Schlüsen-Lehrpfad
Am Frohnen Wenden
57489 Drolshagen – Junkernhöh